Welche Gesichter trägst du - und welche zeigen wirklich dich?
Gesichtsverlust oder authentisches Ich? Wie Familienunternehmen unsere Persönlichkeit prägen
Wenn Familie und Unternehmen verschmelzen: Die unsichtbaren Korsetts
In kleinen Gemeinden sind Familienunternehmen oft mehr als nur Betriebe – sie sind gesellschaftliche Institutionen. Kinder wachsen in einem System auf, wo sie niemals nur sie selbst sind, sondern immer auch Repräsentanten der Familie und des Unternehmens.
„Was in was für ’nem Korsett wir groß geworden sind, was für ’nem Korsett auch diese Menschen stecken, weil es eben viel darum geht, dass man eine ganze Familie oder ein ganzes Unternehmen präsentiert.“ – Birgit Weiglein
Diese Doppelrolle bringt besondere Herausforderungen mit sich:
– Ständige Außenwirkung: Jedes Verhalten wird beobachtet und bewertet
– Implizite Wertevermittlung ohne bewusste Reflektion
– Eingeschränkte Möglichkeiten zur freien Persönlichkeitsentwicklung
– Hoher Anpassungsdruck an unausgesprochene Erwartungen
Das Konzept des „Gesichtsverlusts“ wird so zu einer prägenden Kraft, die oft unbewusst das gesamte Verhalten steuert.
Die Werte-Automatik: Zwischen Tradition und Selbstbestimmung
Interessant ist, wie Familienunternehmen Werte vermitteln – oft ganz ohne bewusste Workshops oder Diskussionen. Zuverlässigkeit, Ehrgeiz, Leistung, Disziplin und Anstand werden nicht gelehrt, sondern gelebt und vorausgesetzt.
| Traditionelle Familienunternehmen-Werte | Mögliche Einschränkungen | Transformationspotential |
|---|---|---|
| Zuverlässigkeit | Wenig Raum für Spontaneität | Bewusste Balance zwischen Verlässlichkeit und Flexibilität |
| Leistungsorientierung | Selbstwert abhängig von Erfolg | Leistung aus intrinsischer Motivation |
| Anstand und Höflichkeit | Unterdrückung authentischer Gefühle | Respektvolle Authentizität |
| Bodenständigkeit | Begrenzte Horizonte | Verwurzelte Offenheit für Neues |
Diese Werte sind nicht schlecht – im Gegenteil. Sie bilden oft ein solides Fundament für Erfolg. Problematisch wird es, wenn sie unreflektiert übernommen werden und keinen Raum für individuelle Anpassung lassen.
Der Weg zur Transformation: Von der Entwurzelung zur Emanzipation
Viele Menschen aus Familienunternehmen wählen zunächst den Weg der kompletten Distanzierung – geografisch, beruflich oder lifestyle-mäßig. Doch nachhaltige Transformation geht einen anderen Weg:
„Ich würde quasi bei den wurzeln eigentlich bleiben und würde sagen ich emanzipiere mich und traue mir zu ein eigenes gesicht also mir mein meines eigenen gesichts bewusst zu werden ohne dass ich dann dabei das gesicht der familie verliere.“ – Nike Hornbostel
Die fünf Ebenen nachhaltiger Persönlichkeitstransformation
Transformation findet nicht über Nacht statt. Sie geschieht auf verschiedenen Ebenen, wobei tiefere Ebenen nachhaltiger wirken:
- Umgebungsebene: Äußere Veränderungen wie Wohnort, Kleidungsstil oder Frisur
- Verhaltensebene: Neue Gewohnheiten und Handlungsweisen entwickeln
- Fähigkeitsebene: Neue Kompetenzen erlernen, andere Berufswege einschlagen
- Überzeugungsebene: Glaubenssätze hinterfragen und neu definieren
- Identitäts- und Systemebene: Neue Zugehörigkeiten finden und das Selbstverständnis wandeln
Besonders wirksam wird Transformation, wenn sie auf der Systemebene ansetzt – durch neue Gemeinschaften, Partnerschaften oder bewusst gewählte Zugehörigkeiten.
Praktische Schritte zur authentischen Selbstfindung
Der Weg zu deinem authentischen Selbst beginnt mit bewusster Reflektion. Stelle dir diese Fragen:
– Wann spürst du den Druck des „Gesichtsbewahrens“? In welchen Situationen handelst du nicht aus dir selbst heraus, sondern aus erlernten Mustern?
– Welche Werte leben wirklich in dir? Was von dem, was du für wichtig hältst, entspringt deiner eigenen Überzeugung?
– Wo findest du Räume für Authentizität? Gibt es Menschen oder Situationen, in denen du vollkommen du selbst sein darfst?
Die Transformation gelingt am besten, wenn du die wertvollen Aspekte deiner Prägung bewahrst und gleichzeitig Raum für deine individuelle Entwicklung schaffst. Es geht nicht darum, alles abzulehnen, sondern bewusst zu wählen.
Denke daran: Deine Herkunft ist nicht dein Gefängnis, sondern kann dein Fundament sein – wenn du lernst, es bewusst zu nutzen. Die Reise zu deinem authentischen Selbst ist keine Rebellion gegen deine Wurzeln, sondern eine liebevolle Weiterentwicklung dessen, was dir mitgegeben wurde.
Bist du bereit, dein eigenes Gesicht zu entdecken – ohne das deiner Familie zu verlieren?
