In welchen Situationen und womit kompensierst Du am häufigsten?

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Selbstannahme und bewusste Kompensation: Der Weg zu mehr Handlungsspielraum

Wir alle haben sie – diese kleinen oder größeren Gewohnheiten, die wir nutzen, um den Alltag zu bewältigen. Sei es die Zigarette in der Pause, das abendliche Glas Wein, die Shopping-Tour am Wochenende oder der Sport als Ausgleich. Doch wie bewusst gehen wir mit diesen Verhaltensweisen um? Im folgenden Artikel tauchen wir ein in die spannende Diskussion zwischen Birgit Weiglein und Nike Hornbostel zum Thema Kompensationsmuster, Selbstannahme und wie wir durch Bewusstsein mehr Handlungsspielraum gewinnen können.

Kompensation: Wenn Gewohnheiten mehr als nur Routinen sind

Jeder von uns hat Verhaltensweisen entwickelt, die uns helfen, mit Stress, Emotionen oder einfach dem Alltag umzugehen. Diese Kompensationsmuster sind vielfältig und individuell. Während die eine Person zur Zigarette greift, nascht die andere Süßigkeiten, geht shoppen oder verbringt Stunden vor dem Fernseher.

Das Interessante daran: Diese Muster erfüllen einen Zweck in unserem Leben. Sie dienen als Ventil, als Pause, als Moment für uns selbst. Doch der entscheidende Unterschied liegt darin, ob wir diese Verhaltensweisen bewusst oder unbewusst ausführen.

„Ich weiß, dass es bei mir auch zu ’ner Kompensation dient, also so, wenn wenn was sehr aufregend ist, wenn mich was emotional sozusagen erfreut oder eben nicht erfreut. Also viele machen es auch in Stresssituationen. Dann nehme ich mir sozusagen eine Auszeit und stelle mich damit raus.“ – Birgit Weiglein

Die Herausforderung dabei: Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass und wann sie kompensieren. Sie greifen automatisch zum Smartphone, wenn Langeweile aufkommt, oder gehen „mal eben schnell“ shoppen, ohne zu hinterfragen, warum sie diesen Impuls verspüren.

Die Kraft der bewussten Selbstbeobachtung

Der erste Schritt zur Veränderung liegt in der Beobachtung. Wenn du anfängst, deine Gewohnheiten zu beobachten und zu analysieren, wann und warum du bestimmte Verhaltensweisen zeigst, eröffnest du dir neue Möglichkeiten.

Es geht dabei nicht darum, dich für deine Kompensationsmuster zu verurteilen oder sie sofort abzulegen. Vielmehr geht es um die bewusste Wahrnehmung:

  1. Beobachten: Wann greife ich zu bestimmten Verhaltensweisen?
  2. Hinterfragen: Was löst dieses Verhalten in mir aus?
  3. Verstehen: Welchen Zweck erfüllt diese Gewohnheit in meinem Leben?
  4. Annehmen: Die Gewohnheit ohne Bewertung akzeptieren

Durch diese Selbstbeobachtung entwickelst du ein tieferes Verständnis für dich selbst und deine Bedürfnisse. Du erkennst Muster, die vorher im Verborgenen lagen, und kannst sie dadurch bewusster steuern.

Kompensationsmuster Mögliche Funktion Bewusste Alternative
Rauchen Auszeit nehmen, Stress abbauen, soziale Verbindung Bewusste Atempause, kurzer Spaziergang, Meditation
Übermäßiges Shoppen Glücksgefühle erzeugen, Selbstwertgefühl steigern Kreative Tätigkeiten, Zeit mit Freunden verbringen
Ständiges Smartphone-Checking Langeweile vermeiden, Verbundenheit spüren Bewusste „Offline-Zeiten“, Achtsamkeitsübungen
Übermäßiger Sport Stress abbauen, Kontrolle erleben Ausgewogenes Bewegungsprogramm, Entspannungstechniken

Die Andersartigkeit annehmen – in uns selbst und in anderen

Ein wichtiger Aspekt auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein ist die Annahme der eigenen Besonderheiten. Wir alle sind unterschiedlich – und das ist gut so. Was für den einen funktioniert, mag für den anderen völlig unpassend sein.

Nike Hornbostel spricht im Podcast über ihre Erfahrung mit Vorurteilen gegenüber Rauchern und wie sie durch das Gespräch eine neue Perspektive gewinnt:

„Also und da mich selbst wieder an die Nase zu fassen und sagen, nein, nicht per See und irgendwie alle in dieser Schublade. Und ich dachte schon immer, die tun das nur, damit dies oder das, ne? […] Das ist okay, erst mal. Das ist vollkommen okay und das dann […] zu scannen oder zu checken und zu sagen, okay, was kann ich, warum und was kann ich jetzt damit machen? Was kann ich daraus lernen?“ – Nike Hornbostel

Diese Akzeptanz der Unterschiedlichkeit – sowohl in uns selbst als auch in anderen – schafft Raum für echtes Wachstum und Entwicklung. Statt uns an vermeintlichen Idealen zu orientieren oder uns in Schubladen stecken zu lassen, dürfen wir uns erlauben, authentisch zu sein.

Auf den eigenen Körper hören

Ein wesentlicher Bestandteil der Selbstwahrnehmung ist das Hören auf die Signale des eigenen Körpers. Unser Körper kommuniziert ständig mit uns – ob wir müde sind, Hunger haben oder Bewegung brauchen.

In einer Zeit, in der wir von außen mit Bildern, Idealen und Vorstellungen darüber bombardiert werden, wie wir leben sollten, ist es umso wichtiger, nach innen zu horchen und zu spüren, was uns wirklich gut tut.

Dies gilt für alle Lebensbereiche – von der Ernährung über Bewegung bis hin zu Erholung und Genuss. Was für deinen Körper richtig ist, hängt von vielen individuellen Faktoren ab: deinem Lebensstil, deiner genetischen Veranlagung, deinem Alter und vielem mehr.

Das bedeutet nicht, dass du alles tun solltest, was dir in den Sinn kommt. Vielmehr geht es darum, eine gesunde Balance zu finden und bewusste Entscheidungen zu treffen, die zu deinem Wohlbefinden beitragen.

Der Weg zu mehr Handlungsspielraum

Die zentrale Erkenntnis aus dem Gespräch zwischen Birgit und Nike ist: Wenn wir uns unserer Kompensationsmuster bewusst werden, gewinnen wir Handlungsspielraum. Wir sind nicht länger Gefangene unserer unbewussten Gewohnheiten, sondern können aktiv entscheiden, ob und wie wir sie einsetzen möchten.

Dieser Prozess eröffnet uns neue Möglichkeiten:
– Wir können bewusst entscheiden, ob wir bei einer Gewohnheit bleiben oder eine Alternative ausprobieren möchten
– Wir entwickeln mehr Selbstmitgefühl und weniger Selbstkritik
– Wir erkennen, dass wir Wahlmöglichkeiten haben
– Wir können authentischer leben und müssen uns weniger an äußeren Erwartungen orientieren

Der Weg zu mehr Selbstbewusstsein und Handlungsspielraum ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Es braucht Zeit, Geduld und Mitgefühl mit dir selbst. Doch jeder Schritt in Richtung bewussterer Selbstwahrnehmung ist ein Schritt zu mehr persönlicher Freiheit und Authentizität.

Letztendlich geht es nicht darum, perfekt zu sein oder alle „schlechten“ Gewohnheiten abzulegen. Es geht darum, dich selbst besser zu verstehen, bewusstere Entscheidungen zu treffen und ein Leben zu führen, das im Einklang mit deinen wahren Bedürfnissen und Werten steht.

Und wie Birgit Weiglein so treffend zusammenfasst: „Durch die Selbstwahrnehmung, durch das Bewusstsein was mache ich denn da, erschaffe ich mir Handlungsspielraum, und den kann ich selbst gestalten.“

Welche Kompensationsmuster erkennst du in deinem Leben? Und wie könntest du sie bewusster wahrnehmen und vielleicht sogar neu gestalten? Die Reise zu mehr Selbsterkenntnis beginnt mit dem ersten Schritt – der bewussten Beobachtung ohne Urteil.